Sie sind hier:

Vereinsverbot gegen "Phalanx 18"

20. November 2019

Seit heute Morgen (Mittwoch, 20. November) um ca. 6:30 Uhr wird in Bremen und in Niedersachsen ein Vereinsverbot des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen gegen den Verein "Phalanx 18" vollzogen.

Zu diesem Zweck werden derzeit drei Wohnungen in Bremen und eine Wohnung in Niedersachsen durchsucht. Der Verein "Phalanx 18" wurde verboten und aufgelöst, da sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Der Verein ist der nationalsozialistischen Ideologie verhaftet und hat versucht, seine verfassungsfeindliche Ideologie mit aggressiv-kämpferischen Mitteln durchzusetzen. Der Verein war u.a. an gezielten Provokationen und kämpferischen Handlungen beteiligt. Er hat umfangreich für rechtsextremistische Musik sowie für verbotene Veranstaltungen geworben.

Pressegespräch mit Dierk Schittkowski: „Viele Extremisten sind den Sicherheitsbehörden noch nicht bekannt“

17. Oktober 2019

Vor dem Hintergrund des Anschlags in Halle und der damit verbundenen Diskussionen um den wachsenden Rechtsextremismus und den damit einhergehenden Aufgaben der Sicherheitsbehörden hat heute der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Dierk Schittkowski, zu einem Pressegespräch in die Innenbehörde eingeladen.

Dabei warb er konkret um die Mitarbeit der Bremerinnen und Bremer im Kampf gegen den sich ausbreitenden Extremismus: „So wie man sich an die Polizei wendet, wenn man den Verdacht hat, jemanden beispielsweise bei einem Einbruch beobachtet zu haben, so kann man sich an den Verfassungsschutz wenden, wenn man den Verdacht hat, jemand äußert oder verhält sich derart auffällig, dass sich ein extremistischer Hintergrund dahinter verbergen könnte.“ Im Zweifel sei dies telefonisch, per Mail oder anonym möglich. Der Verfassungsschutz kann zudem Hinweise auch vertraulich behandeln. „Bürgerinnen und Bürger sollten ihr Unbehagen im Kontakt mit einem mutmaßlichen Extremisten nicht für sich behalten oder gar dulden. Vielmehr sollten sie sich als erstes mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten oder Freunden beraten.“ Zudem seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Bremen jederzeit bereit, sich sachverständig einzubringen und auffällige Verhaltensweisen oder Äußerungen von Personen besser einzuordnen. „Wir wollen ein Verfassungsschutzamt sein, mit dem man redet", betonte Schittkowski.

Extremisten gefährdeten nicht nur das Leben einzelner, sondern den Rechtsstaat insgesamt. Die sogenannten Neuen Rechten forderten ihre Anhänger gezielt auf, sich als Schöffen, Gewerkschaftsvertreter oder Betriebsräte wählen zu lassen. „Wir müssen alle genau hinschauen“, warnte Schittkowski. So hatten sich selbst beim Bremer Verfassungsschutz vor kurzem zwei Personen auf Stellen beworben, bei denen sich bei der Überprüfung extremistische Bezüge feststellen ließen. Beide seien selbstverständlich abgelehnt worden, so Schittkowski.

Große Sorge bereiteten den Sicherheitsbehörden diejenigen, die noch nicht aufgefallen seien und die sich im Verborgenen radikalisiert hätten. Vor allem im Internet erlebten sie sich oft als Teil einer Gemeinschaft, bestehend aus ideologischen Brandstiftern und Gleichgesinnten. „Im virtuellen Raum wird aus den einsamen Wölfen ein Wolfsrudel“, beschrieb Schittkowski bildhaft.

Kontakt
Kontaktdaten
0421 5377-250

Wissenschaftler des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz belegt breiten muslimischen Widerstand gegen den Salafismus

5. September 2019 - Innensenator Ulrich Mäurer stellt Ergebnisse der Arbeit vor

Bei dem Salafismus handelt es sich um eine fundamentalistische Auslegung der islamischen Religion. Eine Teilgruppe der Salafisten, die so genannten Jihadisten, ist zudem der Ansicht, dieses Weltbild mit Gewalt durchsetzen zu müssen.

Dr. Hazim Fouad, Mitarbeiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, hat in seiner Doktorarbeit untersucht, inwieweit muslimische Kritikerinnen und Kritiker dem Salafismus etwas entgegensetzen. Hierbei stellte er fest, dass ein immenser Fundus an innermuslimischer Salafismuskritik existiert. Der Salafismus wird dabei theologisch, islamrechtlich, historisch und soziologisch kritisiert. Es sind also nicht nur die wenigsten Muslime Salafisten, sondern unter ihnen gibt es lautstarke Kritiker und Kritikerinnen, die über Bücher, Predigten, Aufsätze und Videovorträge versuchen, dem Salafismus etwas entgegenzusetzen.
Innensenator Ulrich Mäurer und der Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, Dierk Schittkowski, stellten heute die Ergebnisse der Arbeit gemeinsam mit Hazim Fouad der Öffentlichkeit vor. „Dem Salafismus steht allerdings keine geeinte Front an Kritikern gegenüber. Das bedeutet, nicht jeder Salafismuskritiker ist automatisch ein lupenreiner Demokrat, denn das Spektrum reicht von liberal-modernen bis zu ultra-konservativen Positionen“, so Mäurer.

Der Anteil der Salafisten unter den Muslimen beträgt in Deutschland ca. 0,2%. Dennoch nehmen Akteure und Akteurinnen des rechtsextremen und rechtspopulistischen Spektrums die Gesamtheit der Muslime in Geiselhaft für die Taten von Extremisten und Extremistinnen. "Der Verfassungsschutz hat den Auftrag, über extremistische Bestrebungen aufzuklären. Dazu gehört auch, in der Öffentlichkeitsarbeit klar zwischen Extremisten und Nicht-Extremisten zu unterscheiden", betont Verfassungsschutzchef Dierk Schittkowski.

Sie interessieren sich für die Dissertation? Klicken Sie hier

„Jede Woche Hinweise auf gefährliche Personen / Aufstockung des Landesamtes um 20 Personen war dringend notwendig“

24. April 2019

Innensenator Ulrich Mäurer hat heute gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen, Dierk Schittkowski, den Verfassungsschutzbericht 2018 (pdf, 2.5 MB) vorgestellt.

Schwerpunkt der Beobachtung für den Bremer Verfassungsschutz lag 2018 wieder auf der salafistischen Szene Bremens. Hier war ein Anstieg auf nunmehr rund 540 Personen zu verzeichnen. „Entgegen dem Rückgang öffentlichkeitswirksamer Aktionen entfaltet die salafistische Szene in Begegnungsstätten salafistisch geprägter Organisationen und Moscheen als auch in den sozialen Medien noch immer eine Sogkraft auf junge Leute“, betont Dierk Schittkowski.

Ebenso bleibt auch die Lage im Bereich des Ausländerextremismus angespannt. Die Geschehnisse in der Türkei und Syrien spiegelten sich nach Darstellung von Schittkowski auch in Deutschland durch ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der Anhänger der verschiedenen Ausländerorganisationen wider.

Rechtsextremisten gelinge es zunehmend, Einfluss auf öffentliche Meinungsbildungsprozesse zu nehmen: Unter Verdeckung etwaiger Szenebezüge nach außen und mittels propagandistisch aufbereiteter Beiträge über islamistischen Terrorismus, Gewalttaten vermeintlicher Ausländer oder militanter Linksextremisten schüren Rechtsextremisten die Ängste und Sorgen einer Vielzahl von Menschen. So werden diffamierende Stereotypenbilder transportiert, die dazu führen, dass Menschen pauschal, z. B. wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe, abgewertet werden.

Eine herausragende Rolle sei in diesem Zusammenhang insbesondere den Parteiuntergliederungen der AfD, der „Jungen Alternative Bremen“ (JAHB) oder dem „Flügel“ beizumessen. Anhänger dieser Personenzusammenschlüsse propagierten politische Konzepte, die auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet seien. Zugleich verletzen sie damit die Menschenwürde sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip.

Mäurer: „Wir müssen feststellen, dass sich im vergangenen Jahr die Grenzen des Sagbaren schleichend weiter nach rechts verschoben haben. Der Ton in politischen Auseinandersetzungen wird härter. Dabei werden Tabubrüche systematisch eingesetzt, mit dem Ziel, die öffentliche Meinung an hanebüchene Thesen zu gewöhnen.“

Auch in der linksextremistischen Szene zeigten sich Wechselwirkungseffekte, die sich anlassbezogen in Form von konfrontativer Gewalt mit den politischen Gegnern entlüden, betont Schittkowski. Die hohe Anziehungskraft, die mit dem Betätigungsfeld „Antifaschismus“ verbunden ist, werde unter anderem daran deutlich, dass sich neben Linksextremisten auch „anpolitisierte“ oder gänzlich unpolitische, erlebnisorientierte Jugendliche hieran beteiligen.

Innensenator Mäurer: „Um die genannten Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen rechtzeitig zu erkennen, ist die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar. Eine ausreichende personelle Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist unabdingbar, um der immer größer werdenden Gefahr vor allem durch den islamistischen Terrorismus etwas entgegensetzen zu können.“

--------------------
In Bremen gab es im vergangenen Jahr insgesamt 152 Straftaten (2017: 110, 2016: 122, 2015: 126 und 2014: 142) politisch motivierter Kriminalität von rechts, davon 4 Gewalttaten. (2017: 4 2016: 13, 2015: 6, 2014: 4).
Die politisch motivierte Kriminalität von links zählte in Bremen 119 Straftaten in 2018 (2017: 126, 2016: 70, 2015: 88 und 2014: 77). Darunter waren 15 Gewaltdelikte (2017: 11, 2016: 14, 2015: 7, 2014: 8).
Die politisch motivierte Ausländerkriminalität zählte 29 Straftaten in 2018 (2017: 23, 2016: 52, 2015: 34 und 2014: 44) darunter 5 Gewaltdelikte (2017: 1, 2016: 13, 2015: 2, 2014: 9).
In Bremen wurden im vergangenen Jahr 15 antisemitische Straftaten verübt (2017: 17, 2016: 6, 2015: 8, 2014: 15)
(Nachzulesen im Bericht Seite 105)

Sechster Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Bremen (2013–2018)

24. April 2019 - Senat setzt auf effektives Zusammenspiel von wissenschaftlichen, repressiven und präventiven Maßnahmen

Innensenator Ulrich Mäurer hat am Dienstag (23. April 2019) den Mitgliedern des Bremischen Senats den sechsten Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Bremen vorgestellt. Auf 150 Seiten werden die komplexen Zusammenhänge und Entwicklungen der hiesigen Szene dargestellt, das hieraus hervorgehende Gewaltpotential sowie Möglichkeiten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus im Land Bremen.

Auch wenn sich am Beispiel der Auflösung rechtsextremistischer Szenestrukturen ein Erfolg der „Null-Toleranz-Strategie“ im Land Bremen eingestellt hat und die Straftaten im Bereich Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nach wie vor qualitativ und quantitativ nicht sonderlich auffällig erscheinen, so mahnt der Bericht im Ergebnis zu „erhöhter Wachsamkeit“ – und das aus gutem Grund: Besorgniserregend sind neu entstandene Phänomene und Gruppierungen, die sich nicht als Rechtsextreme zu erkennen geben, wie die „Identitäre Bewegung“, die „Reichsbürger“ und die „Junge Alternative Bremen“. Der Bericht deckt auch personelle Überschneidungen dieser Gruppierungen auf und untersucht die rechtsextreme Einflussnahme auf politisch rechte Jugendorganisationen.

Hierbei wird ausdrücklich auf die Bedeutung neuer Medien wie das Internet und Soziale Netzwerke eingegangen, in denen es Rechtsextremisten auch im Land Bremen zunehmend gelingt, sich informell zu vernetzen, andere Menschen zu beeinflussen und ihre menschenverachtenden Ideologeme an neue Adressaten und in die Gesellschaft zu tragen. „Vor allem übersteigerte Bedrohungsszenarien zu Themenkomplexen, wie dem islamistischen Terrorismus oder den Straftaten von Ausländern zum Nachteil deutscher Opfer, weisen eine besonders hohe Anziehungskraft und damit verbundene Öffentlichkeitswirkung auf“, erläutert Innensenator Ulrich Mäurer. Aber auch scheinbar „unverfängliche“ Statements, die empfundene oder reale Sorgen der Bevölkerung aufzugreifen vorgeben, erreichen Menschen, die sich klassischen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus gegenüber verschlossen zeigen.

Die Autoren des Berichts kommen zu dem Ergebnis: „Nutzer, die den manipulativen Einflüssen dieser virtuellen Communities unterliegen, scheinen aufgrund der Zustimmungswerte zunehmend bereit, ein vermeintliches Gemeinwohl über das des Individuums zu stellen. (…) Völlig unabhängig davon, ob sich das „Gemeinwohl“ auf der Basis ethnischer, rassischer oder kultureller Indikatoren bemisst: Wenn Menschen aufgrund ihrer Ethnie, Rasse oder Kultur gegenüber anderen bevorzugt oder benachteiligt werden, dann sind solche Konzepte gegen das zentrale Element unserer Verfassung gerichtet, gegen die Menschenwürde.“

An dieser Entwicklung zeigt sich, welches Gefahrenpotential aus der Entgrenzung des Rechtsextremismus erwachsen kann und warum es so wichtig ist, rechtsextremen Haltungen konsequent entgegenzutreten. Umfangreiche und vielseitige Aufklärung, die sich an alle Bereiche der Gesellschaft richtet, stellt ein wesentliches Instrument dar.

Daher verfolgt der Bremer Senat ein breit aufgestelltes Spektrum an Konzepten und Projekten, deren Vielfalt der Bericht aufzeigt: Angefangen bei originären Maßnahmen des Verfassungsschutzes und der Polizei zur Verhütung und Ahndung rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Straftaten in Bremen und Bremerhaven, über Präventions- und Beratungsangebote, Sensibilisierung und Begleitung der Fach- und Lehrkräfte in KiTas und Schulen, historisch-politische Bildungsarbeit, bis hin zu interkulturellen Theater-, Musik- und Kunstprojekten.

Es ist das Ziel des Senats, diese Maßnahmen auch in Zeiten begrenzter finanzieller Ressourcen aufrechtzuhalten und auszubauen, sowie das enorme zivilgesellschaftliche Engagement, das Bremen und Bremerhaven auszeichnet, zu unterstützen. Die Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts soll sicherstellen, dass sich diese Maßnahmen wirksam ergänzen und in der Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit zusammenwirken.

Der sechste Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Bremen steht in der Kontinuität der Berichte aus den Jahren 1989, 1992, 2000, 2008 und 2013 und folgt dem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft am 5. Dezember 2017. Er umfasst die Jahre 2013 bis 2018 und entstand unter der Federführung des Senators für Inneres mit der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, dem Senator für Justiz und Verfassung, der Senatorin für Kinder und Bildung, dem Senator für Kultur und dem Magistrat der Seestadt Bremerhaven.

Hinweis:
Der sechste Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Bremen (2013-2018) hier zum Download (pdf, 4.3 MB)

Gefährliche Extremisten im neuen Gewand? / Wie die „Neue Rechte“ systematisch Demokratie und Gesellschaft zu untergraben versucht / Bremen meldet Thema bei der Innenministerkonferenz an

20. November 2018

Die „Neue Rechte“ ist ein Arbeitsbegriff für eine zunehmend gefährliche Bewegung in Deutschland. Mit einem eigenen Antrag zu diesem Thema, möchte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer auf der nächsten IMK Ende November den Focus auf diese Demokratie gefährdende Bewegung lenken und fordert zeitnah eine genaue Analyse der Gruppierungen. Dabei soll insbesondere auf die Frage eingegangen werden, inwieweit Rechtsextremisten versuchen, Einfluss auf die AFD und ihre Unterorganisationen auszuüben. „Seit kurzem bewegt sich endlich etwas auf Bundesebene, aber ich erwarte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz noch aktiver in diesem Bereich wird. Wir haben heute tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die AFD zumindest in Teilen rechtsextremistisch ist, wie die Beobachtung von drei Verbänden der „Jungen Alternativen“ in Bremen, Niedersachsen und Baden-Württemberg zeigt“, so Mäurer.

Die Neue Rechte unterscheide sich in ihrer Strategie, Organisation und scheinbar auch in ihrer Ideologie von den „traditionellen Rechten“, den „freien Kameradschaften“ sowie den bekennenden Neo-Nazis. Zu dieser „plumperen Variante“ gehöre auch die Gruppierung „Die Rechte“, die u.a. in Bremerhaven aktiv ist und sich für die nächste Bürgerschaftswahl bewerben will. Deren Mitglieder seien offen antisemitisch, lehnten die freiheitlich demokratische Grundordnung ab und hätten Hakenkreuze auf ihren Armen eintätowiert.

Eine zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, so Mäurer, sich mit Bestrebungen auseinanderzusetzen, die auch in einem anderen Gewand daher kommen.
Die „Neue Rechte“ trete antiliberal und antipluralistisch auf. „Dies ist alles andere als sympathisch, aber es ist eine Haltung, die man nicht automatisch als extremistisch bezeichnen und dem entsprechend handeln kann.“

Aber auch, wenn die Anhänger dieser Bewegung nicht brandschatzend und gewalttätig durch Deutschland zögen, sei diese Sammelbewegung brandgefährlich. Dazu müsse man sich ihre

Ideologie, ihre Strategie und ihre Organisationsform anschauen:

Ideologie: Die Neue Rechte propagiert den sogenannten Ethnopluralismus und die Bedeutung des Erhalts der unterschiedlichen Kulturen. Dahinter verberge sich die Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht habe, seine eigene Kultur zu leben, aber natürlich nur in seinem eigenen Heimatland. Anhänger der „Neuen Rechte“ seien daher auch entschiedene Gegner von jeglichen multikulturellen Überlegungen und propagierten „Gleichbehandlung der Gleichen“ und damit im Umkehrschluss auch die „Ungleichbehandlung der Ungleichen“, erläutert Dierk Schittkowski, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen. Vordergründig propagierten sie also die Gleichwertigkeit von Kulturen, eine „Vermengung“, oder „Vermischung“ unterschiedlicher Ethnien und Kulturen bedeute für sie aber eine Degenerierung der Gesellschaft. Universale Rechte wie die Menschenrechte oder das Recht auf Asyl als Verfolgter lehnen sie ab, weil es angeblich dem Selbstbestimmungsrecht der Völker widerspreche.

Strategie: Anhänger der „Neuen Rechte“ überschreiten immer wieder und ganz bewusst sprachliche Grenzen und brechen mit Tabus. „Die Grenze des Sagbaren wird so stetig erweitert“, betont Schittkowski. (Die Neue Rechte spricht von „Negern“, „Invasoren“ oder „Testosteron gesteuerten Horden“, wenn sie auf Flüchtlinge Bezug nimmt…) Sie benutzten laut Mäurer und Schittkowski bewusst eine aggressive Sprache und konfrontative Umgangsformen, was infolge zu einem Klima der Enthemmung und der Polarisierung führe. „Damit zwingen sie der etablierten Politik Themen auf, wie z.B. die Islamisierung der Gesellschaft, und schafften mit einigen ihren Themen sowohl den Anschluss an Teile der Mehrheitsbevölkerung als auch die Unterstützung bekennender Rechtsextremisten.

Weiterhin rufe die Bewegung ihre Anhänger dazu auf, sich als Schöffen, Wahlbeobachter oder Betriebsräte oder als Vereinsvorsitzende wählen zu lassen, um darüber immer mehr Einfluss zu gewinnen und baue parallel dazu eigene Medienverlage auf.
Auf breiter Front versuchen sie zudem Misstrauen gegenüber etablierten Medien und Parteien zu säen.

Organisation: Die Neue Rechte fördert eine „Mischszene von Rechten“ und baut über soziale Medien gezielt ihre Netzwerke aus. Mäurer: „Dadurch können sie innerhalb kürzester Zeit mehr Menschen mobilisieren und für ihre Zwecke nutzen.

„Auch wenn sich die Vordenker dieser „Neuen Rechte“ nicht auf den Nationalsozialismus und Antisemitismus beziehen, besitzen ihre Ideen und Konzepte rechtsextremistischen Charakter“, fasst Mäurer zusammen. Das Demokratiemodell, das auf Interessenausgleich oder den Minderheitenschutz etc. beruhe, stehe der Ideologie der „Neuen Rechten“ entgegen. Aus den beschriebenen Gründen hatte Bremen das Thema bereits Ende September für die kommende Innenministerkonferenz in Magdeburg angemeldet und fordert eine genaue Analyse dieser Demokratie gefährdenden Bewegung. Die in Bremen, Niedersachsen und inzwischen auch in Baden-Württemberg festgestellten rechtsextremistischen Aktivitäten der „JA“ (Junge Alternative) zeigten, wie anschlussfähig dieses Gedankengut zum Rechtsextremismus bereits sei. Mäurer: „Wir drängen schon länger darauf, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie alle Länder mit dem Thema AfD auseinander setzen. Das hat lange gedauert und dabei ist wertvolle Zeit verloren gegangen. Nach den gemeinsamen Demonstrationen von Neonazis und AfD in Chemnitz ist nun aber endlich Bewegung in die Sache gekommen. Jetzt müssen zügig Ergebnisse präsentiert werden.“ Bremen will, so Mäurer, mit der Initiative aber auch dafür sorgen, dass die für den Schutz der Verfassung politisch zuständigen Innenminister auf der kommenden Innenministerkonferenz in Magdeburg gemeinsam Haltung beziehen und ein klares Signal gegen den Rechtsextremismus senden.

Jugendorganisation der AFD in Bremen, die „Jungen Alternativen“, sind seit vergangener Woche Beobachtungsobjekt des Bremer Verfassungsschutzes

03. September 2018 - Innensenator Ulrich Mäurer: „Die Botschaften dieser Gruppe sind Rassismus pur“

Innensenator Mäurer hat heute (Montag, 3. September 2018) gemeinsam mit dem Leiter des Bremer Verfassungsschutzes (LfV), Dierk Schittkowski, zu einer Pressekonferenz in die Innenbehörde eingeladen. Thema war die seit bereits letzter Woche laufende Beobachtung des Landesverbandes der Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) der „Alternative für Deutschland“ (AFD) in Bremen. Innensenator Mäurer hatte das LfV bereits im vergangenen Jahr beauftragt zu prüfen, ob ausreichende Kriterien vorliegen, um die „JA“ in Bremen zum Beobachtungobjekt zu erklären. Mäurer: „Das Ergebnis dieser Überprüfung ist eindeutig. Seit vergangener Woche ist die „JA“ in Bremen Beobachtungsobjekt. Diese Leute haben mehrfach in der jüngsten Vergangenheit ihre Masken fallen lassen. Die Botschaften dieser Gruppe sind teilweise Rassismus pur.“

Die Beobachtung der „JA“ wurde erst jetzt bekannt gegeben, da noch am heutigen Tag eine Durchsuchungsaktion bei einem „JA“-Mitglied durchgeführt wurde und das damit verbundene aktuelle Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung nicht gefährdet werden sollte.

Der Verfassungsschutz, der dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dient, beobachtet gemäß seines gesetzlichen Auftrages Organisationen, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. So auch nun beim Landesverband der „JA“ Bremen. Der Leiter des LfV Bremen, Dierk Schittkowski, erläutert die Hintergründe für diesen Schritt: „Es bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine rechtsextremistische Bestrebung handelt.“

So verstärkten sich bei dem im Oktober 2016 gegründeten Bremer Landesverband in den vergangenen Monaten die Hinweise auf Verbindungen zur rechtsextremistischen Gruppierung „Identitäre Bewegung Bremen“ (IBB). Dem im bundesweiten Vergleich verhältnismäßig kleinen Landesverband gehören unter anderem Führungspersonen an, die die rechtsextremistischen „Identitären“ in vielfältiger Weise unterstützen. Sie engagieren sich entweder aktiv für die „Identitären“ oder übernehmen ihre Ideologie, Parolen und Propaganda.

Das Engagement von Rechtsextremisten im Bremer JA-Landesverband und ihre Einflussnahme auf die politische Ausrichtung des Landesverbandes zeigen sich darüber hinaus in sozialen Medien. Dort äußerten sich JA-Mitglieder in der Vergangenheit mehrfach in rassistischer Weise. Rassismus stellt das prägende Element der rechtsextremistischen Ideologie dar. In einem im Mai 2018 veröffentlichten Beitrag werden Flüchtlinge zum Beispiel pauschal diffamiert, indem sie als „nutzlos“ und „kriminell“ sowie als „gesellschaftlicher Bodensatz“ bezeichnet werden; das Statement endet mit der Forderung nach Abschiebung von Flüchtlingen aus Deutschland. Die pauschale Abwertung von Menschen aufgrund ihrer Ethnie, Nationalität und ihres politischen oder religiösen Hintergrundes richtet sich gegen die Menschenwürde als das Kernelement der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Innensenator Mäurer: „Ob auch die AFD in Bremen künftig ein Beobachtungobjekt wird, ist Gegenstand einer aktuellen, intensiven Prüfung meiner Behörde.“ So gehören einzelne Mitglieder der „JA“ auch dem Landesverband der AfD an. Der Vorsitzende der „JA“, Robert Teske, ist zugleich stellvertretender Landesvorsitzender der AFD. Der Schriftführer der AFD in Bremen, Marvin Mergard, ist wiederum stellvertretender Vorsitzender der „JA“ im kleinsten Bundesland.

„Der Aufnahme der Beobachtung der „JA“ – als Jugendorganisation einer politischen Partei – ist einer besonders sorgfältigen Prüfung vorausgegangen“, versicherte Schittkowski vor Journalisten. Der Verfassungsschutz erfülle hier in besonderem Maße seine Funktion als „Frühwarnsystem“ in einem demokratischen Rechtsstaat, wenn er über die verfassungsfeindlichen Ziele einer politischen Jugendorganisation aufkläre. „Mit den vielfältigen Verbindungen zwischen der „JA“ und den rechtsextremistischen „Identitären“ sowie den rassistischen Äußerungen von JA-Mitgliedern lassen sich Anhaltspunkte für den Verdacht, dass es sich um eine rechtsextremistische Gruppierung handeln könnte, nicht mehr von der Hand weisen.“

Innensenator Mäurer verschärft mit neuem Erlass das Waffenrecht

22. Juni 2018 - Regelung soll Bewaffnung von Verfassungsgegnern unterbinden / Schon gewaltverherrlichende Äußerungen können zum Widerruf der Waffenerlaubnis führen

Ein neuer Erlass aus dem Haus des Innensenators richtet sich gleich an mehrere nachgeordnete Ämter sowie an den Magistrat der Stadt Bremerhaven. Darin werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber informiert, dass Personen, die als Extremisten eingestuft sind, ab sofort regelmäßig als „waffenrechtlich unzuverlässig“ einzustufen sind. In der Vergangenheit eventuell bereits erteilte Waffenerlaubnisse sind zu widerrufen. Auch gewaltverherrlichende Äußerungen zu Medienbeiträgen oder Äußerungen, die nahelegen, dass die Person bereit wäre, Konflikte mit Gewalt zu lösen, können künftig bereits für eine Überprüfung und gegebenenfalls für den Widerruf einer Erlaubnis reichen. Innensenator Mäurer dazu: „Ganz klar – wer in Bremen der Gewalt das Wort redet, bietet keine Gewähr dafür, mit Waffen ordnungsgemäß umzugehen. Das gilt selbst dann, wenn diese Person zuvor noch nicht negativ aufgefallen ist.“

Die Polizei in Bremen und Bremerhaven sowie das Landesamt für Verfassungsschutz müssen zudem ab sofort Erkenntnisse über Personen aus dem extremistischen Spektrum, die nach einem Abgleich mit dem nationalen Waffenregister über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen, an die Waffenbehörden in Bremen und Bremerhaven melden.

Zugleich werden das Ordnungsamt, das Migrationsamt und das Bürgeramt Bremen angewiesen, Erkenntnisse über Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Bezüge zur extremistischen Szene besitzen, an die Sicherheitsbehörden zu melden.

Der Erlass gilt für alle Erscheinungsformen des Extremismus. Neben dem Links- und dem Rechtsextremismus zielt er insbesondere auf Personen aus dem islamistischen Spektrum als auch dem Ausländerextremismus ab.

Mäurer: „Menschen verändern sich und können dabei auch negative Entwicklungen durchlaufen. Die Vorstellung, dass solche Personen einst legal erworbene und durch unsere Waffenbehörden genehmigte Pistolen, Revolver oder Gewehre bei sich zu Hause horten, ist unerträglich. Durch eine engmaschige, klar geregelte Zusammenarbeit der Ämter mit den Sicherheitsbehörden haben wir dem künftig einen Riegel vorgeschoben.“

Bereits Ende 2016 hatte Bremens Innensenator eine Regelung erlassen, nach der sogenannte „Reichsbürger“ als grundsätzlich unzuverlässig im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Erlaubnissen zu gelten haben.

Hass und Hetze im Internet beeinflussen zunehmend unsere Gesellschaft

12. Februar 2018 - Der Verfassungsschutz in Bremen setzt auf wissenschaftliche Methoden im Kampf gegen Extremismus in sozialen Netzwerken

Im Kampf gegen den Extremismus setzt die Bremer Innenbehörde verstärkt auf die wissenschaftliche Analyse sozialer Netzwerke. „Der Hass, der sich aus den Beiträgen in "Facebook", "Twitter" oder "vk.com" generiert, hat in der realen Welt oft konkrete Folgen“, betont Innenensator Ulrich Mäurer. „Einzeltätern und Kleinstgruppen werden dadurch in allen Phänomenbereichen zum Teil innerhalb kürzester Zeit radikalisiert. Die steigenden Zahlen der politisch motivierten Kriminalität, der gewaltorientierten Extremisten oder der Terrorverfahren beim Generalbundesanwalt wiesen auf einen gefährlichen Trend hin. So spiele die Verbreitung von extremistischer Propaganda in sozialen Netzwerken in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle. Die Terrorpropaganda von Islamisten, fremdenfeindliche Hetze, linksextreme Mobilisierungsvideos oder "Reichsbürger"-Videos seien in den sozialen Medien allgegenwärtig, betont auch Dierk Schittkowski, Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz. Diffamierende Stereotypenbilder würden durch die Verteilungsprozesse in den sozialen Netzwerken schnell Zigtausende von Menschen erreichen.

Wer durch Interaktionen wie das Markieren von Beiträgen mit "Gefällt mir", durch positive "Kommentare" oder das "Teilen" von Inhalten verfassungsfeindliche Gruppierungen nachdrücklich unterstützt und auf diese Weise dazu beiträgt, dass deren Propaganda weite Teile der Gesellschaft erreicht, macht sich bewusst oder leichtfertig zum Gehilfen. Der Verfassungsschutz versteht sich dabei als „Frühwarnsystem“ für die Demokratie. Das LfV wird die daraus gewonnenen Erkenntnisse für seine Öffentlichkeitsarbeit nutzen. Wer dennoch weiterhindurch seine Interaktionen im Netz extremistische Propaganda verbreitet, muss künftig damit rechnen, das Interesse der Sicherheitsbehörden auf sich zu ziehen. Schittkowski: „Unsere Aufgabe ist es, die Bürger und Bürgerinnen vor Extremisten zu warnen und extremistische Zusammenschlüsse rechtzeitig zu erkennen. Um unseren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, müssen wir uns daher methodisch auf diese Entwicklungen einstellen.“ Extremisten versuchten systematisch mit sogenannten „Fake-News“, Hetze oder Stereotypenbildern zu polarisieren und Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. „Deswegen müssen wir da anfangen, wo dieser Hass und die Akzeptanz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele oft entstehen: In sozialen Netzwerken.“

Unterstützt wird Schittkowski bei der Umsetzung seines Vorhabens in Bremen von Michael Adelmund, Soziologe und "Data Scientist". Adelmund ist als strategischer Analyst für das Bremer Innenressort tätig und erforscht derzeit im Rahmen eines Promotionsprojektes an der Universität Hildesheim, ob und inwiefern in sozialen Netzwerken Radikalisierungsprozesse begünstigt werden. Adelmund hat u. a. "LEA", einen linguistischen Algorithmus, entwickelt, mit dem sich automatisiert solche Beiträge oder Kommentare aus sozialen Netzwerken extrahieren lassen, die anhand von kategorisierten Wortindikatoren eine besondere Extremismusrelevanz aufweisen. Solche speziellen Verfahren der empirischen Sozialforschung aus dem Bereich "Data Science" sollen auch zukünftig genutzt werden, um die immer latenter werdenden Formen der Einflussnahme oder Beteiligung von Extremisten auf "Grauzonen-Bereiche" zu visualisieren, die an der Schwelle zum Extremismus stehen.
In solchen heterogenen Communities, in denen oft Tausende Nutzer miteinander verbunden sind, können durch eine Vielzahl gleichgelagerter Inhalte übersteigerte Ängste heraufbeschworen und dadurch Hass geschürt werden. Gerade hieraus gehe eine besonders große Gefahr hervor, so Schittkowski. "Je weiter die Ideologie dabei in den Hintergrund rückt, desto mehr Menschen können Extremisten in sozialen Medien erreichen, weil sie unerkannt bleiben. So können sie erfolgreich gesellschaftliche Ängste heraufbeschwören und ihren gefährlichen Hass sähen." Wichtig sind Innensenator Mäurer und dem Bremer LfV-Chef dabei: „Es geht nicht darum, demokratische Meinungsbildungsprozesse zu begrenzen oder zu kontrollieren, sondern sie vor Manipulation zu schützen. Dies sei existentiell für eine funktionierende Demokratie.“ Ausgewertet werden nur öffentliche Beiträge auf Communities, die für jedermann zugänglich sind. Es geht den Extremisten ja gerade darum, möglichst viele Menschen zu erreichen und große Öffentlichkeit zu erzeugen. Einzelne Personenprofile oder beispielsweise geschlossene Freundschaftsgruppen und Foren, wie es sie oft bei Facebook gebe seien nicht Gegenstand dieser analytischen Methoden.
„Weder ausländische Dienste, noch Extremisten, noch „Trolls“ oder „Bots“ sollen demokratische Meinungsbildungsprozesse manipulieren können.“ Deshalb sei es ganz wichtig, dass nicht nur die Nutzer sondern auch die Betreiber sozialer Medien ihrer Verantwortung gerecht würden, fordert Schittkowski: „Es kann nicht sein, dass jeder Nutzer bei einem Video-Upload davor gewarnt wird, dass er möglicherweise gerade im Begriff ist, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen, zugleich kann er aber munter extremistische Propaganda an Familie, Freunde und Bekannte verbreiten. Hier besteht ebenfalls Handlungsbedarf seitens der Betreiber sozialer Netzwerke.

„Gewaltorientierter Extremismus: Welche Rolle spielt die Ideologie?“

08. Mai 2018

Am 08. Mai 2018 fand in der Bremischen Bürgerschaft eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gewaltorientierter Extremismus: Welche Rolle spielt die Ideologie?“ statt. Veranstalter war das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Bremischen Innensenator Ulrich Mäurer. Der Senator hob in seiner Rede hervor die Herausforderungen für das Garantieren der Öffentlichen Sicherheit hervor. Ein streng religiöses Verhalten sei allein kein Anzeichen für eine Radikalisierung. Vielmehr stellte man im Bereich des Jihadismus in der letzten Zeit fest, dass die Personen oft entgegen der Ideologie lebten und beispielsweise Alkohol konsumierten oder mit Drogen handelten. Trotzdem handelte es sich bei diesen Personen um eindeutige IS-Sympathisanten. Aus diesem Grund dürfen diese Verhaltensweisen im Rahmen einer Gerichtsverhandlung nicht strafmildernd wirken.

Den ersten Impulsvortrag hielt Prof. Uwe Backes, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden. Dabei wies er darauf hin, dass die Rolle der Ideologie manchmal über- manchmal aber auch unterschätzt werde. Zur Unterschätzung kann die „Soziologisierung“ der Gewalt beitragen, womit die Ansicht gemeint ist, es seien immer nur soziale Gründe, die Menschen in den Extremismus treiben. Darüber hinaus tragen unter anderem die Spontaneität vieler Gewalttaten und der Einfluss von Alkohol/Drogen, sowie das Fehlen von „Tatbekennungen“ zur Unterschätzung bei. Dass Ideologien weiter wirksam sind, zeigt sich in der ideologisch begründeten Wahl der Opfer und Angriffsziele, der Rolle ideologischer Rechtfertigungen bei der Gewaltlegitimierung, der Rolle von Ideologen im Personenpotenzial gewaltaffiner Gruppen, sowie der identitätsstiftenden Bedeutung von Diskussionsforen, Theoriezirkeln, Zeitschriften und Online-Plattformen.

Herr Ritzmann vom Brandenburgischen Institut für Sicherheit und Gesellschaft bestimmte die Funktionen extremistischer Ideologien. Sie dienen der Bestimmung und Motivation der eigenen Gruppe und Abgrenzung und Legitimation von Gewalt gegenüber allen, die nicht dazu gehören. Sie dient zudem als Mittel zur Selbsthilfe, zur Aufwertung des eigenen Lebens. Die gewählte Ideologie bietet die gewünschte Identität und ist das verbindende Element von Extremisten mit sehr verschiedenen Biografien. Die oft bemühte „Gehirnwäsche“ durch Extremisten mag es im Einzelfall geben. Häufiger jedoch sind Radikalisierungsprozesse ein wechselseitiger Prozess von demjenigen, der radikalisiert und dem anderen, der sich radikalisieren lässt. Zu den Handlungsempfehlungen gehörten Alternative Narrative zu extremistischen Ideologien und Angebote von glaubwürdigen, lokalen Akteuren. Diese erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegenüber extremistischer Propaganda und Rekrutierung. Insbesondere bei für bestimmte Zielgruppen hoch emotionalen Themen geht es darum, diese aufzugreifen und frühzeitig konkrete alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Herr Taubert leitet die Beratungsstelle LEGATO in Hamburg, welche systemische Ausstiegsberatung im Themenfeld Islamismus anbietet. Überwiegend melden sich dort Angehörige von jungen Menschen, die unter Verdacht stehen, sich zu radikalisieren. Ihre Not sei oft sehr groß. Sie fürchten zum Beispiel, dass ihre Kinder nach Syrien ausreisen könnten. Die Erfahrung der Beratungsstelle ist, dass sie oft einen viel größeren Leidensdruck haben als die Angehörigen von Rechtsextremen. Seit 2015 hat LEGATO in etwa 320 Fällen beraten. Schwierig sei oft die Abgrenzung zwischen Glaube und Ideologie. Angehörige von Konvertiten melden sich früher, weil ihnen schon die bloße Hinwendung zu Religion Angst macht. Dabei leiste jede Gleichsetzung von Religion und Ideologie der Prävention einen Bärendienst. Deradikalisierung bedeutet nicht, dass junge Menschen wieder vom Glauben abfallen. Es geht darum extremistische Handlungsweisen aufzugeben und das soziale Umfeld wieder zu stabilisieren.

An der anschließenden Podiumsdiskussion, die von dem Islamwissenschaftler Hazim Fouad moderiert wurde, nahm auch der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Dierk Schittkowski teil. Er wies auf die Notwendigkeit der Verzahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Erfahrung der praktischen Arbeit hin und lobte den fruchtbaren Austausch zwischen Behörden und zivilgesellschaftlichen Trägern in diesem Themenfeld. Die hohe Besucherzahl von ca. 100 Personen verdeutlichte das Interesse der Bremischen Öffentlichkeit an den diskutierten Themen.